Die SchUM-Stätten sind Weltkulturerbe

Bereits seit dem 16. Juli 2021 tagt das UNESCO-Welterbekommitee, dessen Sitzung dieses Jahr aus dem chinesischen Fuzhou geleitet wird. Gestern, am 27. Juli, wurde über die SchUM-Stätten entschieden. Nun steht fest: SchUM ist Weltkulturerbe – damit erhalten erstmals jüdische Kulturdenkmäler diesen Titel.


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Die Bezeichnung SchUM ist ein Akronym, bestehend aus den hebräischen Anfangsbuchstaben der drei Städtenamen Schpira (Schin), Warmaisa (U) und Magenza (Mem). Die jüdischen Gemeinden dieser Städte – Speyer, Worms und Mainz – bildeten im Mittelalter einen einzigartigen Verbund. So galten sie aufgrund der jeweiligen Talmudschulen, an denen die angesehensten Rabbiner wirkten, als Zentren der Gelehrsamkeit. Viele Studierende aus zahlreichen Ländern Europas kamen an den Rhein, um an diesen Talmudschulen bei Gelehrten wie Gerschom ben Jehuda, Rabbi Salomo ben Isaak (Rashi) oder den „Weisen von Speyer“ zu studieren.

Diese Gelehrten waren es auch, die den SchUM-Gemeinden in religiös-kultischen und rechtlichen Fragen eine enorme Bedeutung im gesamten aschkenasischen Judentum verliehen. So entstanden auf einer Synode in Mainz im Jahr 1220 verbindlich geltende religiöse Vorschriften, die im „Takkanot SchUM“ festgeschrieben wurden. Wie bedeutend das jüdische Leben in den SchUM-Stätten war, zeigt sich auch darin, dass bis heute in vielen Teilen der Welt bestimmte Riten, die einst in den SchUM-Gemeinden entstanden, bis heute gepflegt werden.

Noch heute sind die Zeugnisse der Zeit des Hochmittelalters zu sehen: Synagogen, Friedhöfe und Mikwen. Im Januar 2021 wurden im Mainzer Stadtgebiet bei Bauarbeiten zufällig gut erhaltene mittelalterliche jüdische Grabsteine gefunden. Immer wieder wurden Grabsteine der ehemaligen SchUM-Gemeinden bei Bauarbeiten zweckentfremdet und erst sehr viel später wiederentdeckt. In Mainz errichtete die Jüdische Gemeinde 1926 „Am Judensand“, dem alten jüdischen Friedhof, einen Denkmalfriedhof mit etwa 180 Grabsteinen aus der Zeit des Mittelalters, darunter einige aus dem 11. Jahrhundert. Damit gilt er als ältester und größter mittelalterlicher jüdischer Friedhof in ganz Europa.


Der alte jüdische Friedhof in Mainz

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Das UNSECO-Welterbekommitee, ein Gremium aus 21 gewählten Vertreter*innen der Mitgliedsstaaten, hat den SchUM-Stätten nun den Welterbestatus verliehen. In der Begründung heißt es, dass es sich bei SchUM um richtungsweisende jüdische Gemeindezentren handele, die das jüdische Leben in ganz Mitteleuropa maßgeblich beeinflusst haben. Zu den nun als Welterbe anerkannten Zeugnissen des mittelalterlichen Judentums gehören die alten Friedhöfe in Worms und Mainz, die Wormser Synagoge sowie der Speyrer Judenhof mit seiner mittelalterlichen Mikwe.

Der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling betonte: „Von heute an wird unsere Stadt eine andere sein: in ihr wird das reiche jüdische Erbe wieder sichtbar und lebendig werden. Und zwar nicht nur für die jüdische Welt, da war SchUM ja stets präsent, sondern für die gesamte Menschheit.“ Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer freute sich sehr über die Entscheidung des Kommitees: „Ich freue mich aus tiefstem Herzen über diese wichtige Entscheidung der Unesco für unser Land: Die SchUM-Stätten in Speyer, Worms und Mainz sind Weltkulturerbe! Dieses Votum ist von unschätzbarem Wert für die kulturelle und historische Vielfalt in Rheinland-Pfalz. Die Denkmäler der SchUM-Städte sind nicht nur steinerne Zeitzeugen einer außergewöhnlich reichen jüdischen Geschichte in unserem Land, sie stehen auch für den Kulturtransfer zwischen Christentum und Judentum und mahnen uns, dies als gemeinsame, große Chance zu sehen.“


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Seit 1700 Jahren leben Jüdinnen*Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands. Anlässlich dieses bedeutenden Erbes wurde 2021 als Festjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ ausgerufen. Bundesweit werden in diesem Festjahr anhand unzähliger Veranstaltungen und Projekte das jüdische Leben sichtbar gemacht und die lange Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland gewürdigt. Einen schöneren Beitrag als die Anerkennung der SchUM-Stätten als Welterbe hätte es für dieses Festjahr nicht geben können. Eine Herzliche Gratulation an alle Beteiligten, die auf diesem langen Weg zum Welterbe mitgewirkt und diese tolle Anerkennung möglich gemacht haben!


In der Publikationsreihe „Beiträge zur Geschichte der Juden in Rheinland-Pfalz“ erscheint zunächst die dreiteilige Reihe „Zeugnisse jüdischen Lebens“, in der Quellen und Material zum jüdischen Leben in den SchUM-Städten Speyer, Worms und Mainz dokumentiert und kommentiert werden. Bereits erschienen sind die Bänder zu Mainz und Worms, noch in diesem Jahr soll der Band zu Speyer folgen.


Hans Berkessel / Hedwig Brüchert / Wolfgang Dobras / Ralph Erbar / Frank Teske (Hrsg.): Leuchte des Exils. Zeugnisse jüdischen Lebens in Mainz und Bingen (Beiträge zur Geschichte der Juden in Rheinland-Pfalz, Bd. 1). Mainz 2016.





Hans Berkessel (Hrsg.): Warmaisa – Klein Jerusalem am Rhein. Zeugnisse jüdischen Lebens in Worms (Beiträge zur Geschichte der Juden in Rheinland-Pfalz, Bd. 2). Oppenheim 2020.




Hans Berkessel / Stefan Endres / Lenelotte Möller / Christiane Pfanz-Sponagel (Hrsg.): Kehilla Schpira – „Mögen diese Pflöcke niemals herausgerissen werden.“ Zeugnisse jüdischen Lebens in Speyer (Beiträge zur Geschichte der Juden in Rheinland-Pfalz, Bd. 3). Oppenheim in Vorb.

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