Am 8. Mai hatten wir den Autor Hendrik Cremer in der Volkshochschule Mainz zu Gast, um mit ihm über sein Buch „Je länger wir schweigen, desto mehr Mut werden wir brauchen. Wie gefährlich die AfD wirklich ist“ zu sprechen.

Bereits der Direktor der Volkshochschule Mainz, Dr. Christian Rausch, wies in seiner Begrüßung auf die enorme Bedeutung von Artikel 1 unseres Grundgesetzes hin. Vor 75 Jahre haben sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes ganz bewusst dazu entschieden, „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ allem voranzustellen.
Wie passend gerade am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, eine Buchvorstellung und Diskussion über die Gefährdung unserer Demokratie sei, darauf verwies Hans Berkessel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz Mainz“. Direkt zu Beginn machte er deutlich, dass die über 30 Anwesenden keine klassische Buchvorstellung erwarten würde, sondern vielmehr ein moderiertes Gespräch zwischen ihm und dem Autor sowie ein offener Austausch, eine Diskussion mit dem Publikum.
Gleich in der Beantwortung der ersten Frage „Was ist eigentlich Rechtsextremismus?“ bezog sich Hendrik Cremer ebenfalls auf das Grundgesetz. So sei für ihn Rechtsextremismus jegliche Bestrebung, die auf die Beseitigung der freiheitlich rechtlichen Grundordnung unserer Demokratie abziele. Rechtsextremismus wende sich somit gegen die Grundpfeiler der Demokratie sowie der Rechtsstaatlichkeit. Besonders sichtbar werde er in menschenverachtenden Positionen, die ganz klar gegen Artikel 1 des Grundgesetzes verstoßen.
Laut Hendrik Cremer dringt die Gefahr, die von der Partei Alternative für Deutschland ausgeht, nicht zu der breiten Öffentlichkeit durch. Die AfD sei in ihrer Programmatik schon rechtsextrem; dies zeigen die Wahlprogramme der vergangenen Jahre, aber auch ihr Grundsatzprogramm von 2016. Dies sei für ihn persönlich auch Motivation gewesen, dieses Buch zu schreiben. So wollte er die Informationen, die er über Jahre hinweg recherchiert hat, einfacher zugänglich machen und daher ein Buch für ein breites Publikum verfassen.
Die AfD richte sich an einer nationalistischen, wenn nicht nationalsozialistischen Ideologie aus. Dies zeige vor allem, dass die Partei selbst definiere, wer zu „unserem Volk“ gehöre und wer eben nicht. Dabei greife sie auch auf nationalsozialistisches Vokabular zurück, wie zum Beispiel die ‚Volksgemeinschaft‘, die nach Definition der AfD auch sehr viele Deutsche ausschließe. Daneben wies Hendrik Cremer immer wieder darauf hin, dass es zahlreiche Äußerungen des Führungspersonals und der Mandatsträger*innen der Partei gäbe, die sich ganz klar gegen die Menschenwürde und Artikel 1 unseres Grundgesetzes richteten.
2013 sei die Partei zwar zunächst gegründet worden, um eine Währungsreform voranzubringen und gegen den Euro zu agieren, doch ab 2015, seit der Ablösung von Bernd Lucke habe sich die AfD immer weiter radikalisiert. Bernd Lucke, maßgeblicher Mitbegründer der Partei AfD äußere sich mittlerweile selbst sehr kritisch gegenüber der Partei und sähe es als Fehler, diese Partei gegründet zu haben. Hans-Olaf Henkel, der 2014 als Kandidat der AfD für eine Wahlperiode in das Europäische Parlament gewählt worden war, sage heute, dass er es bereue „an der Konstruktion eines Monsters mitgewirkt zu haben.“
Auf die Frage hin, wie glaubwürdig Distanzierungen ehemaliger AfD-Politiker*innen seien führte Hendrik Cremer aus, dass die Partei von Beginn an rechtsextreme Positionen vertreten habe. Auch Personen wie Jörg Meuthen hätten sich an rechter Hetze beteiligt, sich aber nach außen hin verharmlosend dargestellt. Am Ende wollten sie wahrscheinlich nicht mehr in einer Partei sein, die immer mehr nationalsozialistisch ausgerichtet ist. Die wirklichen Motive seien öffentlich jedoch schwer greifbar.
Hendrik Cremer sieht in den Entwicklungen deutliche Parallelen zur NPD. So wiesen beide Parteien die Strategie auf, ihre Politik auf der Straße, in den Parlamenten und in Verlagen für intellektuelle Kreise zu verbreiten. Die AfD mobilisiere auf der Straße und kooperiere zeitgleich sehr stark mit weiteren rechtsextremen Institutionen und Organisationen, wie dem Institut für Staatspolitik oder dem Antaios-Verlag Götz Kubitscheks. Eine solche Vernetzung helfe in Wahlkampfzeiten besonders. Zudem schaffe die Partei es, zunehmend Publikationsorgane aufzubauen, die alles begleiten und für unterschiedliche Zielgruppen aufbereiten.
Zentrales Problem sieht Hendrik Cremer in der Berichterstattung über die AfD. Headlines wie „AfD-Funktionäre treffen sich mit Rechtsextremen“ nach den correctiv-Recherchen würden maßgeblich dazu beitragen, dass die Partei von der breiten Öffentlichkeit nicht als rechtsextrem und als entscheidende Gefahr für die Demokratie angesehen würde. Offensichtlich scheue die Presse sich, die Dinge klar beim Namen zu nennen.
Seit dem Bundesparteitag 2022 gäbe es auch keine Gegenstimme mehr zu Björn Höcke, sodass die rechtsextreme Ausrichtung und der damit verbundene offene Antisemitismus klar in der Partei geduldet würden. Höckes Position ziele klar auf eine Gewaltherrschaft ab, die sich am Nationalsozialismus orientiere. Dies sei vor allem in dem Aufruf zu tödlicher Gewalt an politischen Gegner*innen, Deportationen und weiteren Aspekten, die in seinem Gesprächsband zu lesen sind zu sehen. Bei dem beobachteten schleichenden Prozess immer weiter nach rechts und den immer höheren Zustimmungswerten müsse dringend deutlicher gemacht werden, wie gefährlich diese Partei ist. Gleichzeitig würden immer mehr Menschen die Gefahr erkennen und dagegen mobilisieren. Hendrik Cremer äußerte die Hoffnung, dass die AfD dadurch schlechter als die Umfragen es andeuten, bei den anstehenden Wahlen abschneiden werde.
Es sei jedoch ein strategisches Element der Partei, den Diskurs zu verschieben, um eine Gewöhnung an rechtsextreme Elemente zu erwirken und dies mit gezielten Tabubrüchen zu ergänzen. Die demokratischen Parteien müssten von einer gegenseitigen rhetorischen Abwertung Abstand nehmen, da sie so nur der AfD in die Karten spielten. Dass hier eine Gewaltherrschaft angestrebt werde, die sich am NS orientiere und dass die Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte keine Rolle spielen, das alles werde viel zu selten in der öffentlichen Debatte angesprochen. Hendrik Cremers Buch soll genau hier den Gegenpol bilden. Weiterhin müsse in Bildungsangeboten und Schulen viel mehr darüber aufgeklärt werden, wie die AfD vor allem Social Media wie TikTok nutze, um junge Menschen zu gewinnen.