Zum Tod Esther Bejaranos

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Am Samstag, dem 10. Juli 2021 ist die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano im Alter von 96 Jahren gestorben. Als junge jüdische Frau wurde sie von den Nationalsozialisten in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Ein Platz im Mädchenorchester rettete ihr dort wohl das Leben.



Am 15. Dezember 1924 wurde sie als Esther Loewy in Saarlouis als jüngstes von fünf Kindern der Eheleute Rudolf Loewy und Margarete Loewy (geborene Heymann) geboren. Nach der ‚Machtübernahme‘ der Nationalsozialisten war die Familie schnell antisemitischen Vorfällen ausgesetzt. 1936 zog sie nach Ulm um, da Rudolf Loewy dort eine neue Stelle als Kantor gefunden hatte. Lange hatte gerade der Familienvater geglaubt, dass der Nationalsozialismus nur eine ‚Phase‘ sei, die wieder vorübergehen würde. Dennoch wanderten die beiden ältesten Geschwister 1937 nach Palästina und in die USA aus; ein Jahr später kam die zweite Schwester Esther Loewys in ein Vorbereitungslager für eine Auswanderung nach Palästina. Nach den Vorkommnissen der Pogromnacht 1938 verlor der Familienvater jedoch die Hoffnung, dass die Familie im Deutschen Reich bleiben könne. Seine Versuche, eine Ausreise vorzubereiten, scheiterten jedoch und Esther Loewy blieb zunächst mit ihren Eltern in Ulm. Während ihr Vater nach Breslau versetzt wurde, kam auch das jüngste Kind in ein zionistisches Vorbereitungslager nach Berlin. Der Kriegsbeginn verhinderte jedoch die Ausreise Esther Loewys. 1941 wurden ihre Eltern in Kowno von den Nationalsozialisten ermordet. Ihre Schwester wurde im Dezember 1942 im KZ Auschwitz ermordet.

Mit 18 Jahren, am 20. April 1943, wurde Esther Loewy nach Auschwitz deportiert. Dort erhielt sie die Häftlingsnummer 41948. Im Konzentrationslager musste sie zunächst schwerste Arbeiten ausführen, ehe sie in das Mädchenorchester von Auschwitz aufgenommen wurde. Esther Loewy war sehr musikalisch, sang und spielte Klavier. Im KZ Auschwitz wurde sie als Akkordeonspielerin verpflichtet. Gemeinsam mit Anita Lasker-Wallfisch spielte sie im Mädchenorchester und entging so wohl einer Ermordung durch die Nationalsozialisten. Im November 1943 wurde Esther Loewy in das KZ Ravensbrück verlegt, in dem sie Zwangsarbeit für die Firma Siemens leisten musste. Kurz vor Kriegsende gelang ihr dann von einem der sogenannten ‚Todesmärsche‘ die Flucht.

Nach dem 8. Mai 1945 stand für sie fest, dass sie das Land der Täter verlassen wollte. So wanderte sie nach Palästina aus, wo sie ihren späteren Ehemann Nissim Bejarano kennenlernte und 1950 heiratete. In den ersten Jahren der Ehe und nach der Geburt ihrer beiden Kinder Edna und Joram widmete sie sich als Hausfrau und Mutter ihrer Familie. Später arbeitete sie als Erzieherin und Musiklehrerin. 1960 entschloss sie sich dazu, gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern auszuwandern und nach Deutschland zurückzukehren.

In Hamburg eröffnete Esther Bejarano eine kleine Boutique, Nissim Bejarano arbeitete als Feinmechaniker. In dieser Zeit begann Esther Bejarano ihre eigene Lebensgeschichte zu erforschen und zu dokumentieren. Sie schloss sich der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten an, deren Bundessprecherin sie 1990 wurde.

Sie brach ihr Schwiegen über die Zeit im KZ, nachdem vor ihrer kleinen Boutique NPD-Anhänger*innen Propagandamaterial verteilt hatten und von Polizist*innen vor linken Demonstrant*innen beschützt worden waren. Einer der Rechtsextremisten hatte die Beamt*innen dazu aufgefordert, Esther Bejarano zu verhaften, da in Auschwitz doch nur Verbrecher inhaftiert worden seien. Daraufhin beschloss die Shoah-Überlebende, über ihre Erlebnisse zu sprechen. Später sagte sie einmal „Es ist meine Rache, dass ich an die Schule gehe, dass ich erzähle, was damals geschah. Damit nie wieder so etwas passieren kann.“

1986 gründete Esther Bejarano mit einigen Mitstreiter*innen das Auschwitz-Komitee, das vor allem Veranstaltungen gegen das Vergessen organisiert, aber auch Bildungsreisen zu Gedenkstätten anbietet. Esther Bejarano war eine Frau, die stets ihren Standpunkt zu aktuellen politischen wie gesellschaftlichen Debatten äußerte. So prangerte sie den menschenunwürdigen Umgang mit Geflüchteten sowie die europäische Asylpolitik an. Vor allem aber mahnte sie immer wieder vor einem Rechtsruck in unserer Gesellschaft und ermutigte gerade junge Menschen dazu, sich rechtsradikalen, antisemitischen und rassistischen Äußerungen entgegenzustellen.



Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Tod Esther Bejaranos: „Wir verlieren mit ihr eine mutige Persönlichkeit, die sich bis zuletzt für die Verfolgten des Naziregimes eingesetzt hat. […] Nach dem Krieg war es ihr eine innere Verpflichtung, als Zeitzeugin die Erinnerung an die Greueltaten des Naziregimes wachzuhalten und vor allem junge Menschen vor den Gefahren des Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu warnen. […] Mit ihrem Tod haben wir einen großen Verlust erlitten. Sie wird immer einen Platz in unseren Herzen haben.“


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