Im Gedenken an die Deportation Mainzer Sinti*

Die Gedenkstele in der Altenauergasse 7–9 in Mainz (© Landeshauptstadt Mainz/ Amt für Öffentlichkeitsarbeit)

Heute, am 16. Mai, gedenken wir der Mainzer Sinti*, die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur wurden. Neben jüdischen Menschen, gehörten auch Sinti* und Roma* für die Nationalsozialisten nicht zur deutschen ‚Volksgemeinschaft‘, vielmehr wurden sie als ‚minderwertig‘ eingestuft. So wurden auch sie Opfer der Verfolgungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes. Bereits im Kaiserreich und in der Weimarer Republik wurden sie als ‚Zigeuner‘ durch Polizeibehörden in Karteien erfasst. Auch im ehemaligen Volksstaat Hessen lebende Sinti* wurden ab 1929 erfasst und deren Fingerabdrücke gesammelt. Auf diese Register konnten die Nationalsozialisten nach ihrer ‚Machtübernahme‘ 1933 zurückgreifen und die systematische Verfolgung der Sinti* und Roma* vorbereiten.

Am 17. Oktober 1939 erließen die Nationalsozialisten den sogenannten ‚Festsetzungserlass‘, mit dem das Reichssicherheitshauptamt die systematischen Deportationen aller Sinti* aus dem Reichsgebiet in das ‚Generalgouvernement‘ (das besetzte Polen) vorbereitete. Mit diesem Erlass war es den Sinti* verboten, ihre Wohnorte zu verlassen; sie wurden ein weiteres Mal von den Polizeibehörden registriert. In Mainz lebten die meisten Sinti* seit langer Zeit in Wohnungen in der Altstadt – im Kirschgarten, der Fischergasse, der Welschnonnengasse und der Birnbaumgasse. Durch die geschaffene Kartei, in der alle Sinti* erfasst waren, waren den Nationalsozialisten deren Anschriften bekannt.


Die Deportation aus Mainz

In der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1940 wurde ein Großteil der Sinti* aus Mainz, Worms, Ingelheim und einigen pfälzischen Städten mithilfe vorbereiteter Listen durch die Schutz- und Kriminalpolizei aus ihren Wohnungen geholt und inhaftiert. In Mainz standen 107 Namen auf der Liste, 97 Personen wurden in ihren Wohnungen angetroffen und anschließend in das Polizeipräsidium in der Klarastraße gebracht. Lediglich 50 kg Handgepäck durften diese Menschen mitnehmen. Zu diesen 97 Sinti* aus Mainz zählten viele Kinder; auch Neugeborene wurden deportiert. Der jüngste Säugling war Herbert Kling mit gerade einmal elf Tagen, Magdalena Wagner war 24 Tage alt. Neun Kleinkinder unter drei Jahren, 16 Kinder im Alter von drei bis zehn Jahren und 25 Kinder im Alter von elf bis 17 Jahren befanden sich unter den Festgenommenen. Die ältesten Sinti*, die in Mainz verhaftet wurden, waren Anna und Friedrich Lehmann mit 68 und 69 Jahren.
Nachdem man sie mehrere Stunden in der Klarastraße festgehalten hatte, wurden sie durch die Stadt zum Bahnhof geführt – am helllichten Tag, vor den Augen der Öffentlichkeit. Am Bahnhof stand ein Sonderzug der Reichsbahn bereit, mit dem die 97 Mainzer*innen sowie weitere Sinti* aus Worms und Ludwigshafen nach Asperg bei Stuttgart gebracht wurden. Dort angelangt, mussten sie zu Fuß den Weg in das Sammellager Hohenasperg antreten. Dort führte man eine weitere ‚rassenbiologische Untersuchung‘ durch, nach der 22 Personen des Transportes als ‚Nicht-Zigeuner‘ eingestuft wurden und nach Hause durften.

Alle anderen Personen dieses Transportes wurden sechs Tage später mit einem weiteren Sonderzug in das ‚Generalgouvernement‘ in verschiedene Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Nur wenige Sinti* erlebten das Kriegsende. Eine von ihnen ist die Mainzerin Augustine Steinbach (geb. Reinhardt), die am 16. Mai 1940 mit acht Jahren deportiert worden war.


Gedenken an die ermordeten Mainzer Sinti*

Der Raum der Namen im HdE (© Katharina Dubno)

Am 16 Mai 2013 wurde in der Altenauergasse 7–9 eine Gedenkstele enthüllt, die an die Deportation der Sinti* aus Mainz erinnert. Im Raum der Namen im Haus des Erinnerns – für Demokratie und Akzeptanz erinnern wir an alle diese Menschen. Hier werden ihre Namen dem Vergessen entrissen.
Immer wieder organisieren wir in unserem Haus auch Veranstaltungen zum Thema Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung von Sinti* und Roma*. So hatten wir im vergangenen Jahr Ricardo Lenzi Laubinger und Oswald Marschall bei uns zu Gast, zeigten daneben auch die ZDF-Dokumentation „Sinti und Roma. Eine deutsche Geschichte“. Dabei ist uns wichtig, der Opfer der NS-Diktatur zu gedenken und zugleich auf fortwährende Ausgrenzungsmechanismen für Sinti* in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen.

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