
Der lange Schatten des deutschen Kolonialismus. Verdrängung, Verleugnung, Umdeutung
Gedenkplakette für Heinrich Vogelsang, der im Auftrag des Bremer Kaufmanns Adolf Lüderitz in Südwestafrika (dem heutigen Namibia) die einheimischen Nama um ihr Land betrog und damit die Voraussetzung für die Proklamierung der ersten deutschen Kolonie schuf. Die Plakette befindet sich bis heute auf der Haifischinsel, wo die deutsche Kolonialverwaltung später ein Konzentrationslager für die Einheimischen betrieb, in dem zahlreiche Menschen starben. © Florian Pfeil
Vortrag von Prof. Dr. Henning Melber mit anschließender Diskussion
Auch Deutschland war Kolonialmacht. Henning Melber wirft einen schonungslos aufklärenden Blick auf die Geschichte deutscher Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den gegenwärtigen Umgang.
Das viertgrößte überseeische Kolonialreich der Welt war von 1884 bis 1914 das des Deutschen Kaiserreichs. Dennoch ist diese Tatsache kaum bekannt. Während in Frankreich und Großbritannien bereits seit Längerem Debatten über die Auswirkungen des Imperiums auf ehemalige Kolonien und die kolonisierten Gesellschaften stattfinden, ist der Umgang mit dem deutschen Imperialismus erst in jüngerer Zeit in das Interesse der Öffentlichkeit gerückt. Erst 2015 räumte die deutsche Regierung erstmals halbherzig ein, dass die in den Jahren 1904-1908 in der Siedlerkolonie Deutsch-Südwestafrika (heutiges Namibia) durchgeführte Vernichtungspolitik als Völkermord einzustufen ist.
Doch die jüngste Belebung der Debatte über Deutschlands koloniale Vergangenheit wird durch fortgesetzte Verdrängung, Leugnung und eine populistische Rechte, die revisionistische Umdeutungen der deutschen Kolonialvergangenheit durchzusetzen versucht, behindert. Eine Kampagne gegen die postkolonialen Studien hat versucht, jede ernsthafte Auseinandersetzung mit den Verbrechen des imperialen Zeitalters zu denunzieren und auszugrenzen.
Henning Melber gibt einen umfassenden und schonungslosen Überblick über die Geschichte der deutschen Kolonialherrschaft und analysiert, wie ihr Erbe in der deutschen Gesellschaft, Politik und den Medien wirkt und debattiert wird. Dabei geht er auch auf die Alltagserfahrungen von Afrodeutschen ein, auf die Rückgabe geraubter Kulturgüter und auf die Auswirkungen der Kolonialgeschichte auf wichtige Institutionen wie beipielsweise das Humboldt-Forum.
Prof. Dr. Henning Melber kam als Sohn deutscher Auswanderer nach Namibia, wo er 1974 der Befreiungsbewegung SWAPO beitrat. Er ist Professor an den südafrikanischen Universitäten von Pretoria und des Freistaats in Bloemfontein und arbeitet am Nordischen Afrikainstitut in Uppsala/Schweden. Im Juli erscheint sein Buch „The Long Shadows of German Colonialism“ (London: Hurst).
Der Eintritt ist frei.
Diese Veranstaltung findet in Kooperation mit der Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung / WBZ Ingelheim und der Volkshochschule Mainz statt.